„Da müssen wir jetzt durch.“

Es fing , ich meine, es war im Januar 2020, noch harmlos an. In den Nachrichten wurde darüber berichtet, dass in Starnberg in Südbayern ein Mensch an einer bisher unbekannten Krankheit, die der Grippe ähneln soll, erkrankt ist. Vorher war diese ansteckende Krankheit in China ausgebrochen und hatte viele Todesopfer gefordert. Was dabei richtig wütend macht: der Arzt, der die chinesische Regierung vor genau dieser Seuche gewarnt hatte und nicht ernst genommen worden war, starb im Februar oder März daran. Was will man von einem autoritären Regime auch anderes erwarten.

China, das ist weit weg. Reisende und ihre Angehörigen, die in Fernost gewesen waren, wurden in Germersheim im südlichen Rheinland-Pfalz, in einer Kaserne in die Quarantäne geschickt. Germersheim hatte ich bisher mit etwas Positivem, schönen verbunden: der Messe für Fahrrad-Enthusiast*innen und Nerds, SPEZI (die dieses Jahr auch ausfallen wird, https://www.spezialradmesse.de/home.html ) Sinnvoll, um die Krankheit an der Verbreitung zu hindern, aber was Quarantäne für die Betroffenen bedeutet: danach fragt niemand. Nachrichten, Gespräche zwischen Menschen, sogenannte „Experteninterviews“ sind voll von technischem Denken, Organisationsplänen, Analysen. Es war erschreckend und abstoßend, wie viel Platz in der medialen Berichterstattung diese Krankheit einnahm, deren Name nun ständig und überall auftauchte: COVID-19, ausgelöst durch den Corona-Virus. Woher der Name genau kommt und was er bedeutet, wurde in einem Video von der „Sendung mit der Maus“ sehr gut erklärt, das ich Ende März auf „Fratzenbuch Watch“ (Fachebook Watch) entdeckt hatte. Aber so richtig glaubte ich trotz täglichen Hörens der Sendung „Informationen am Abend“ von Deutschlandfunk nicht daran, welche Auswirkungen dieser kronenförmige Virus (daher der Name, lat. „Corona“ für „Krone“) haben würde. Nicht verharmlosen wollte ich das Thema, aber die Panikmache und das laute Geschrei der Boulevard-Medien ging mir mehr und mehr auf die Nerven. An meiner Arbeitsstelle sah ich oft Kolleg*innen ständig irgendwelche Artikel über angeblich oder tatsächlich neue Erkenntnisse zu diesen Virus lesen – das Robert-Koch-Institut war nicht dabei. Nicht einfach zu lesen diese Seite, manches ist für den Laien nicht verständlich aber: dort wird kein Unsinn erzählt. Mich ärgern Menschen, die immer wieder nur die Blöd-Zeitung lesen, obwohl es durchaus seriöse Angebote gibt, um sich über COVID-19 zu informieren.

Dann aber kam der erste Schock: die Stadt Dortmund verfügte, dass ab dem 12. März 2020 alle Veranstaltungen eingestellt werden sollten. Ich war gerade dabei gewesen, die letzten paar Kneipen und andere Institutionen in Dortmund mit Flyern unseres Jazzclubs domicil zu bestücken. „Das brauchst du jetzt nicht mehr tun“ sagte mir der Produktionsleiter zu mir am Telefon. Wir waren alle geschockt. Der Kneipenbetrieb lief noch, aus Protest gegen diese verdammte Situation ging ich abends im domicil ein Bier trinken. Abstand halten tat ich dabei immer, ebenso die Vereinskollegen, die ich traf. Alle waren in einer Art Schockstarre, einem Schrecken, den man nicht so schnell abschütteln kann.

Noch vor wenigen Wochen konnten wir uns beim Parcours freuen. Jetzt: gesperrt, eine fast unheimliche Stille.

Doch damit nicht genug: ab dem 17. März 2020 durfte auch der Kneipenbetrieb unseres Jazzclubs domicil nicht mehr öffnen. Die Meldungen, was alles nicht mehr sein darf, man kam schon gar nicht mehr mit, wurden in pausenloser Folge bekannt: das Stadttheater ist zu, das Konzerthaus muss seinen Betrieb einstellen, ab dem 16. März gibt es keine Hochschulsportkurse mehr. Ich fühlte mich, als ob ich eine böse Überraschung erleben müsste, an der ich keine Schuld hatte. Als ich 2003 in meiner alten Heimat das Mozart-Requiem im Chor mitgestaltete, hatte uns die Chorleiterin für das „Lacrimosa“ genau diese Stimmung als Vorstellung beim Singen mitgegeben. Dieses Stück aus dem Requiem, es passte jetzt richtig gut in diese immer absurdere Zeit, in einen Alltag, bei dessen Schnelligkeit an Veränderungen kaum mehr ein Mensch mitkommt, während draußen das öffentliche Leben still steht.

Ohne Beleuchtung und Beschriftung, leer und verlassen, wo sonst das Leben ist: der Jazzclub domicil während des Elends von Coronakrise. Eigenes Foto

Seit der Schließung aller Kinos, Clubs, Bars, Kultureinrichtungen, sprich: Beendigung des öffentlichen Lebens, lese ich fast jeden Tag die Seiten der Stadt Dortmund. Jeden Tag gibt es eine Zunahme an Infizierten, es werden aber – und das ist sehr positiv – auch die Anzahl der genesenen Menschen genannt. Die Mahnung, von anderen Menschen Abstand zu halten, wird fast gebetsmühlenartig verkündet. Ich halte mich daran, wenn ich auch zugeben muss, dass mir bisher nicht bekannt gewesen war, dass ich auch als gesunder Mensch den Virus weitergeben kann, ohne es zu merken.

Es ist klar: die Infektionsketten müssen unterbrochen werden, die Ausbreitung von COVID-19 soll zumindest verlangsamt werden. Zustände wie in Italien will man nicht, klar. Ich habe mitbekommen, was dort abgeht, aber ich hasse Leute, die mich ständig auf alles und dieses und jenes aufmerksam machen müssen, warum ich es nicht gelesen habe! Nein, ich lese nicht jeden verdammten Artikel über diese scheiß Krankheit, auch wenn es in der FAZ, dem Spiegel oder sonst einem Qualitätsmedium steht! Langsam wurde ich auch auf „pocket“, der Anzeige beim Feuerfuchs-Browser wütend, weil ständig Artikel zum Corona-Virus genannt wurden. Mit häßlichen Virus-Bildern und maskierten Menschen. Ich will das nicht sehen! Und es beruhigt mich nicht, nein, es macht nur noch wahnsinniger in dieser abartigen Zeit voller Wahnsinn!

„Man soll jetzt nicht über Italien moralisch urteilen. Die Welt ist noch am Lernen.“ Das sagte mir ein guter Freund und Journalist. Zufällig lese ich im Tagesspiegel online, dass eine Zeitung in Italien, ich glaube in der so stark betroffenen Lombardei, 10 Seiten Todesanzeigen druckt. 10 Seiten pro Tag. Gewohnt ist man vielleicht 3 oder höchstens 5 pro Ausgabe. Das zu lesen tut weh, auch, wie selbst ein in Krisengebieten erfahrener Apotheker langsam ratlos ist – einen Artikel dazu habe ich gelesen, das war in der taz. Auf Bildern, die im Internet kursieren, sieht man einen leeren Markusplatz in Venedig, einen leeren Petersplatz in Rom, leere Kanäle in Venedig… in den Nachrichten hört man, dass sich die Kanäle in Vendeig erholen, weil keine Kreuzfahrtschiffe mehr kommen. Die haben ohnehin nichts in der Stadt verloren. Tourismus: ja. Aber mit Bedacht! Doch mit Corona läuft nichts mehr, niemand kann mehr irgendwas besichtigen oder jemanden besuchen. diese Situation macht auch deutlich: die Erde braucht keine Menschen.

Jeden Abend: eine dunkle, geschlossene Schauburg (Kino). Grauenvoll, dieser Anblick.

Die Gscheiderln, die immer vorpreschen und sich als die Besten darstellen müssen, preschen auch jetzt wieder vor: das Bundesland Bayern (erstaunlicherweise hat sich dieses Möchtegern-Königreich immer noch nicht von der BRD abgespalten) verhängt Ausgangssperren. Schulunterricht ist in der ganzen BRD schon lange nicht mehr, 5 Wochen Osterferien gibt es dann sozusagen. Nur für den Weg zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Besuch bei Ärztin oder Arzt oder zum Sport darf man raus. Ein Arbeitskollege zeigt mir ein Video, auf dem die Münchner Berufsfeuerwehr durch die Straßen fährt und Ansagen macht. Was für ein autoritärer Müll. Ich bin fassungslos. Schon interessant: gerade dieses Land, das jahrzehntelang vehement gegen alles aus dem „bösen“ Osten gewettert hat, greift nun auf genau dessen Vorgehensweise zurück, verhält sich wie der Staat, den man damals so verachtet und bekämpft hat. Aber am 3. Oktober wieder schön gegen den Polizeistaat von damals mahnen. Schuld sind immer nur die anderen, und die hocken im Osten. Weil jeder DDR-Bürger und -Bürgerin ein-/e überzeugte-/r Kommunist war. Ganz bestimmt. Nicht. Wie bin ich froh, dort nicht mehr zu wohnen. Eine Freundin in Nürnberg, die pensionierte Krankenschwester ist, sieht sich in ihrer Forderung nach Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 bestätigt. Naja, ihr Beruf hat sie eben geprägt.

In Nordrhein-Westfalen, wo ich nun seit 5 Jahren wohne, geht man – zumindest bisher – besonnener vor. Es gibt kein absolutes Ausgangsverbot. Es gilt nicht mehr nur die Abstandsregel, es dürfen auch höchstens nur 2 Personen miteinander unterwegs sein, Familien ausgenommen. Der Appell, nur zu wichtigen Anlässen die Wohnung zu verlassen, folgt. Das macht für mich erst mal keinen Unterschied, weil ich meistens allein unterwegs bin. Zu meiner Freude empfiehlt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, dass man seine Alltagswege doch mit dem Rad zurücklegen solle, weil man das allein tun könne, anstatt neben anderen in der Straßenbahn zu sitzen. Auch der ADFC NRW empfiehlt nochmals explizit das Radfahren.

https://www.adfc.de/dossier/dossier-radfahren-in-zeiten-von-corona/

Ein Gastronom versucht sein Glück mit Außenverkauf: Cocktails trinken trotz Corona. Und immer schön nur 2 Stühle nebeneinander.

Die Straßen sind fast jeden Tag ziemlich leer; oft fühle ich mich wie am Sonntag nachmittag, wenn ich über die Heiligegartenstraße, Grün- und Treibstraße zur Arbeit fahre. wie ein ewiger Sonntag nachmittag. Mein Zeitgefühl schwindet von Tag zu Tag, ich wache oft auf und wünschte, das ganze Elend mit der Krankheit COVID-19 wäre einfach nur ein böser Traum.

Wie an einem ewig andauerendem Sonntag-Nachmittag: die Treibstraße/Grüne Straße während der Corona-Krise. eigenes Foto.

Tatsächlich stelle ich bei mir selbst auch fest, dass ich mir mehr um das Wie beim ohnehin täglichen Händewaschen Gedanken mache, auf mehr Abstand als sonst in der Straßenbahn und anderswo gehe. Das offiziell verkündete Abstandsgebot ist fast paradox für mich. Die Öffentlichkeit und Gesellschaft, in der ich aufwuchs, hielt oft keinen Abstand zu mir und meinem Körper ein und benutzte meinen Körper und mich für die eigene Notgeilheit. Junge Mädchen und Frauen auf dem Dorf sind nichts wert und können ungestraft sexuell mißbraucht werden, niemand fragt, ob sie diese Berührungen wollen oder nicht. Lange Zeit forderte ich selbst, Abstand von mir zu halten, wobei das auf Dauer auch keine Lösung ist, denn: der Mensch braucht Berührungen.

https://nacktundneugierig.podigee.io/14-wissenschaft-koerperkontakt

Für Taschendiebe ist die Corona-Krise eine ganz blöde Zeit, wenn so wenige Leute unterwegs sind man sich niemandem mehr ungestraft nähern darf. Auf Facebook bekomme ich einen kleinen Shitstorm ab, weil mir die eine Pressemeldung des Kinikums Dortmund kräftig auf den Senkel geht. Vom Pressesprecher stammt dieser Text. Unmöglich! So kann man das nicht formulieren! Es geht in etwa so los: „na Ihr Egoisten? habt Ihr Euch in der Disco getroffen weil Ihr denkt, dass Ihr Euch als junge Menschen nicht anstecken könnt? […]“ In diesem Wortlaut ging es weiter. Sicher ist ein Appell zum Abstandhalten wichtig. Aber so formuliert wird niemand auf ihn, den Pressesprecher des Klinikums Dortmund hören! Das sollte genau er wissen! Als Journalistin weiß ich: SO erreicht man niemanden. Aber von den anderen Herrschaften im Fratzenbuch kapiert das niemand. Mich nerven diese Leute, die immer nur ‚technisch‘ denken. Die ständig Statistiken und Zahlen brauchen. Nein, ich will das nicht! Es macht mich und auch andere nur noch verzweifelter, wahnsinniger! Und ich kann auch auf den Podcast eines Christian Drosten getrost verzichten. Nicht, weil er ein schlechter Mensch oder schlechter Virologe wäre, sondern: ES GIBT NOCH ANDERE THEMEN ALS DIESER VERDAMMTE VIRUS im Frühjahr 2020, verdammt noch mal!!! Seine „Fans“ nerven. Bei allem Respekt und Sinnhaftigkeit von Wissenschaftsjournalismus: schweigt einfach mal einen Tag, geht in Euch und besinnt Euch auf das Nicht-Technische in der Coronakrise. Übt Euch endlich in Empathie! Das, was nicht nur mich umtreibt und sehr schmerzt: der Verlust jeder Kultur. Hört den Kulturwissenschaftler*innen und Soziolog*innen zu, anstatt die Medizin anzubeten!

https://www.deutschlandfunk.de/interview.693.de.html?drbm:date=2020-03-22

Nein, es ist nicht Sonntag nachmittag in der Fußgängerzone Westenhellweg. Im Hintergrund eine Polizeistreife.

Wie eine schleichende Krankheit verändert das Corona-Virus den Alltag. Das einzige, was von der Normalität geblieben ist, ist für mich die Fahrt zur Arbeit, meist mit dem Rad. Die Arbeit, die mein Broterwerb ist und mit meinem erlernten Beruf leider wenig zu tun hat, macht grundsätzlich Spaß. Aber sie erfüllt mich nicht und ist oft genug anstrengend. Alles, was der Kompensation für diese Anstrengung dienen würde, existiert nicht, ist wie ausradiert, plötzlich nicht mehr existent: meine Sportkurse beim Hochschulsport, alle Musikveranstaltungen. Der Anblick von geschlossenen, verschlossenen Türen erschreckt mich. Ich fühle mich wie in einem schlechten Traum, einer Zeitschleife, aus der ich nicht rauskomme. Wie Neo in „Matrix“ in verschiedenen Dimensionen sich bewegt, von denen nur eine real ist. In welcher Welt, in welcher Dimension leben wir nun? Wer oder was hat uns hierher gebracht, gegen unseren Willen?

Nicht mal mehr im Stadtgarten kann man im Abstand zueinander sitzen. Eigentlich übertrieben. Auch auf einer Sitzbank könnte man Abstand halten.

Wie lange ist das noch auszuhalten? Ich weigere mich, diesen scheinbar ewigen „Sonntag-Nachmittag“ , den man beim Durchqueren der Innenstadt spüren kann, als „Normalität“ anzuerkennen. So, wie es nun seit einigen Wochen ist, ist es nicht normal. Menschen sind keine Wildkatzen, die einzeln unterwegs sind! So sinnvoll, wie die Absagen sämtlicher Kulturveranstaltungen und das Abstandsgebot auch sind: ich kann dieses ständige „stay home – save lives“ nicht mehr hören. Dieses ständige erzwungene Alleinsein, das macht krank! Es ist paradox, wenn ständig Appelle zum Zusammenhalt verkündet werden, gleichzeitig aber Abstandhalten und Zuhausebleiben gepredigt wird. Schon bemerkt?

https://www.deutschlandfunk.de/gesellschaft-in-der-coronakrise-was-isolierung-und.676.de.html?dram:article_id=473467

Auch manche Witzeleien mit den Arbeitskolleg*innen können nicht die Freude am Sport und der dort erlebten Gemeinschaft ersetzen. Ja, ich habe schon schlechtere Arbeitsstellen gehabt und die Bedingungen sind gut, ich fahre meistens gern zur Arbeitsstelle. Das momentan viel gelobte HomeOffice funktioniert bei mir übrigens aus technischen Gründen nicht. Da ich im Service arbeite, ist mir eine Trennung von Arbeitsstätte und Zuhause auch wichtig, denn: Menschen, die bei uns anrufen, können richtige Arschlöcher sein. Deshalb ist psychische Hygiene durch physische Trennung von Arbeitsort und Wohnort so wichtig.

Das noch so gut vorgetragene Konzert im Live-Stream im Internet kann kein Live-Konzerterlebnis ersetzen. Es ist schön, wenn ein Igor Levit jeden Abend auf seinem Flügel für seine Twitter-Follower spielt. Tonqualität grauenhaft, aber: die Geste zählt. Danke für Ihre Heimkonzerte. Aber wer bezahlt ihn? Man muss es sich leisten können, sich als Künstler*in zu verschenken, wie die Neue Musikzeitung richtig schrieb. Gilt übrigens auch für den Pop-Bereich, für jede-/n, die oder der vom Musikmachen und Musik-Interpretieren den eigenen Lebensunterhalt verdient. Musik ist nicht nur schön, sie ist auch Arbeit und die muss wie jede andere Tätigkeit ordentlich bezahlt werden! Oder wie Karl Valentin richtig sagte: „Kunst ist schön, macht aber auch Arbeit.“

https://www.nmz.de/artikel/geschenke

Außerdem darf nie vergessen werden: Das Publikum ist nicht nur dafür da, die Künstler*innen zu bezahlen. Jedes Konzert, sei es ein Pop- oder Club- oder Klassikkonzert lebt davon, dass Künstler*innen auf der Bühne mit dem Publikum kommuniziert. Der Intendant des Opernhauses Dortmund hat nicht umsonst und zu Recht gesagt, dass er von per Livestream übertragenen Opern nichts hält, weil das nur „abgefilmtes Theater“ sei. Die Premiere der Oper „Die Stimme von Portici“ musste fast ohne Publikum stattfinden, nur die Presse hatte Zutritt bekommen.

https://www.deutschlandfunk.de/oper-die-stumme-von-portici-in-dortmund-revolte-im-schatten.1993.de.html?dram:article_id=472650

Der Noch-Schauspiel-Chef Kay Voges zu den verheerenden Auswirkungen auf die Kultur durch die Coronakrise: Kay Voges, Schauspiel Do zu corona: https://www.fr.de/kultur/theater/theater-regisseur-kay-voges-erwartet-viele-stuecke-ueber-corona-aeussert-befuerchtung-13654207.html

Bemerkenswert ist, dass das Corona-Virus das schafft, was der Klimawandel, der mindestens genauso bedrohlich ist für die Menschheit, nicht schafft: alle sind betroffen, allen ist dies bewußt und sie tun was dagegen. Die gesamte Welt. Der feine Unterschied: gegen Covid-19 werden sofort stark wirkende Maßnahmen ergriffen. Grundrechtseinschränkungen wie das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit akzeptiert. Kaum Zweifler gibt es, die Leugner* werden größtenteils verachtet und zurückgedrängt. Selbst die scheinbar allmächtige Wirtschaft und Lobbyverbände ziehen mit, auch wenn es Kritik gibt. Absurderweise wollen gerade große Firmen wie adidas und Heu&Mist keine Miete mehr zahlen, weil ihre Geschäfte geschlossen bleiben müssen. Hallo? Was sollen Besitzer kleiner Läden sagen?

Ohne Zweifel wird dieser Krankheitserreger die Welt verändern, Wirtschaftsunternehmen, ganze Wirtschaftssysteme und gewohnte Lebensabläufe werden sich ändern müssen. Ein Bekannter und Stadtplaner rechnet mit einem großen Arbeitsplatzabbau in der Automobilindustrie. Und warum? Weil „Covid-19“, der Name der Krankheit, ausgelöst durch den Corona-Virus, sehr bald spürbar und tödlich verlaufen kann und so viel bedrohlicher wirkt als eine andere, schon seit Jahren existierende Bedrohung. Von Stickoxiden und anderem Dreck, der den Klimawandel auslöst, fällt leider niemand bald tot um oder bekommt schmerzende Geschwüre oder Atemnot. Anders kann man sich die Untätigkeit oder die nur schleppend eingeführten Maßnahmen für den Klimaschutz (durchgeführt von verschiedenen Regierungen) nicht erklären. Die Veränderungen im öffentlichen Leben werden größtenteils erstaunlich gut akzeptiert und hingenommen, kaum jemand klagt über die Schließung von Kneipen, Theatern, Opernhäusern, Bibliotheken, Sportstätten. Auf manchen Straßen ist es, wie schon erwähnt auffällig ruhig, was mich als Radfahrerin auch freut. Auf anderen genauso voll wie sonst (Mallinckrodtstraße in Dortmund). Und dennoch ist da IMMER dieses ungute Gefühl, dass da was nicht in Ordnung ist, wenn eine Polizeistreife langsam durch die Fußgängerzone mit dem Auto statt auf Fahrrädern fahren muss. Schlechter Traum? Wahrheit? Hat mich das Super-Auto K.I.T.T. irgendwo hingebracht, wo ich nicht hin wollte? Welcher Tag ist heute?

Im Zuge der staatlich angeordneten Stillegung des öffentlichen Lebens wurde zur Solidarität mit v.a. der „Risikogruppe“ aufgerufen. Man solle für die älteren Leute Einkaufshilfen anbieten. Gerne hätte ich dies gemacht, aber auf Nachfrage bei meinem Bekannten gab es keinen Bedarf, dass jemand mit Lastenrad für andere einkauft. Mir selbst war und ist diese Zeit der Corona-Krise auch nicht geheuer, ich bin immer noch damit beschäftigt, dieses Grauen zu erfassen, dass mich an die Stimmung des „lacrimosa“ aus dem Mozart-Requiem erinnert: die damalige Chorleiterin und Kantorin dieser Kirchengemeinde hatte uns aufgegeben, beim Singen das Gefühl einer bösen Überraschung und Fassungslosigkeit zu empfinden und dies mit unserer Stimme auszudrücken. Zwar stirbt hier im Jahr 2020 im Gegensatz zu Pestzeiten früherer Jahrhunderte nicht jede und jeder, aber wenn das Kulturleben stirbt oder darbt, stirbt auch bald der (physische) Mensch. Manche glauben sogar an eine neue Solidarität.

Daran glaube ich nicht. Die Corona-Krise führt zu Verhaltensweisen der Menschen, die erschreckend sind. So sehen die Regale im Supermarkt und in Drogerien aus, wo sonst Toilettenpapier, Küchenrollen, Taschentücher und Nudeln lagern. Alles andere als ein solidarisches Verhalten.

Keine Chance, wenn zuhause das Klopapier alle ist. Foto: A. Steger

Zwar muss ich nicht für einen Mehr-Personen-Haushalt einkaufen, dennoch machen mich solche Verhaltensweisen wütend! Wie egoistisch, aggressiv und dumm muss man sein, übermäßige Einkäufe zu tätigen??? Was soll das? Steht ein Krieg bevor? – NEIN! SCHÄMT EUCH!

WOFÜR braucht man Unmengen Küchenrollen u.ä. zuhause während der Corona-Krise???

WOFÜR braucht selbst ein mehrköpfiger Haushalt solche Unmengen an Toilettenpapier, Küchenrollen oder Taschentücher? Scheißen die sich vor Angst vor dem Coronavirus in die Hose, weshalb sie soviel Scheißpapier brauchen? Ihr seid doch nicht mehr ganz dicht!

Diese seltsame, absurde, verrückte Zeit, in der man nicht weiß, was man denken soll, in der ein Familienvater und Fahrrad-Enthusiast auf Twitter zu Recht die Frage, was nun werden soll, stellt, bringt auch neue Witze hervor. Ja, auch das habe ich bemerkt. Da ist ein Cartoon, der zwei suchende Augen zeigt, die sich in einer Art Festung, die nur aus Klopapierrollen besteht, herausschauen. Ein Videoclip zeigt eine Katze in einem Zimmer, die über eine immer höhere Rampe aus Klopapierrollen springt, dazu eine Art Sportkommentation auf französisch. Schon witzig, ja. Gleichzeitig klingt alles wie ein trauriger Nachruf auf ein Leben, das normal verlief, in dem man sich nicht ständig Gedanken darüber machen musste oder sollte, welchen Türgriff man angefasst und ob man sich ja auch immer die Hände gewaschen hat. Es strengt an, dieses Leben. Mehr als sonst. Dazu die Hysteriker mit ihren Mundschutzmasken. Boah! Bin ich hier in einem verdammten Operationssaal oder im Krankenhaus – oder auf der Straße im öffentlichen Raum?? HÖRT AUF DAMIT! Das bringt die Menschen nur noch mehr auseinander, macht sie mißtrauisch und zu Feinden! Nur bei alten Leuten verstehe ich, dass sie Masken tragen.

Der Anblick von gestapelten Stühlen im Café, und sei es nur bei einem Bäckereistand im Supermarkt, ein Absperrband am Spielplatz, an der vorderen Bustür vom Linienbus… das alles ist NICHT NORMAL. Ausnahmezustand, dauerhaft. Manche reden sogar vom Einsatz des Militärs im Inland. LASST DAS. Wir haben keinen Krieg! Das alles wirkt abweisend, lebens- und menschenfeindlich.

In der Zeit der Corona-Krise fühle ich neben all den Enttäuschungen, dem Entsetzen, der Fassungslosigkeit auch eine große Müdigkeit. Nicht nur, weil ich nicht zu den Sportkursen des Hochschulsports kann, sondern auch, weil genau in dieser Zeit die Sinnlosigkeit des menschlichen Lebens so deutlich wird. Klingt pathetisch, ist aber wahr. Und langsam habe ich keinen Bock mehr auf das ganze. Die Haltung, die auch ein Herr Harkort vertritt, so wie ihn dieser Künstler geschaffen hat.

Herrn Harkort in Hombruch passt auch etwas nicht. Mir auch.

Es gibt staatliche Hilfen für Kleinstunternehmer*innen und Kulturschaffende, ja. Aber wird das ausreichen? Ein Inhaber eines Sportfachgeschäftes sagte mir, dass er schon nach 3 Wochen einen Umsatzeinbruch von 80% hätte, nur hätte er im Gegensatz zu den Gastronomen eben noch die Ware als Gegenwert. Zwei kleinere Fahrradhändler bangen um ihre Existenz. Das alles deutet auf eine Zukunft hin, in der niemand wirklich leben will.

Hätte ich doch nie Abitur gemacht.

Hätte ich nie ein Opernhaus oder Konzertsaal betreten.

Wäre ich in dem scheiß abgelegenen Kaff geblieben, wo ich aufwachsen hatte müssen, wäre ich dumm geblieben, dann könnte ich wie andere diesen ganzen Corona-Müll einfach hinnehmen, ohne ständig nachzudenken. Oder ich wäre so ein Technik-Gläubiger und Technik-Trottel geworden, der oder die jeden Tag alles über Covid-19 liest und zu wissen glaubt, obwohl es nicht wirklich was neues gibt (ich habe da meine Zweifel). Ich hasse diese Leute! Eigentlich gehören sie alle zwangsweise in regelmäßige Soziologie- und Psychologie-Vorlesungen gesteckt. BESCHÄFTIGT EUCH GEFÄLLIGST MIT DEN SOZIALEN FOLGEN, Ihr Technik-Deppen! Und hört auf, die Naturwissenschaft anzubeten! Mancher hat schon wohl heimlich einen Drosten-Altar zuhause, so wie früher die KatholikInnen v.a. im Mai zuhause sich einen Marienaltar aufgebaut hatten, was? Man kann das kitschig und dümmlich finden, aber: der Marienkult mag auch nerven, aber er nervt nicht so sehr wie der Kult um Drosten. Wobei ich glaube, dass er selbst nicht wie ein Heiliger verehrt werden will, weil er um seine Grenzen weiß und diese Star-Verehrung nicht nötig hat.

Verstehen Sie mich nicht falsch: ich hasse VerschwörungstheoretikerInnen genauso. Von mir wird NIEMAND ANGEBETET, weder die Medizin noch die Homöopathie. Weder Herr Drosten noch irgendein bedeutender Heilpraktiker/bedeutende Heilpraktikerin. Auch wenn ich es leider nicht erleben werde: ich wünsche all den Technik-Gläubigen, die Deppen, die nur auf diese verdammten Zahlen über Covid-19 ständig spekulieren, als ob sie Börsen-Geschäfte machen würden: einmal werdet Ihr aufwachen und merken, dass Euch eure elende Naturwissenschafts-Versessenheit nicht mehr hilft. Verdammt, warum spüre ich was, was mir fehlt? Was ist das? Ich werde mich doch nicht mit Gefühlen beschäftigen müssen? Was war das noch mal? Kann man das berechnen, in Zahlen ausdrücken? Aber neeeiiin, das ist so irrational! Zu blöd, dass der Mensch keine Maschine ist! Und selbst die Gscheiderln von der Schulmedizin kapieren langsam, zumindest langsam, dass der Geist, die Psyche so wichtig für die Heilung des Körpers ist. Es ist u.a. vom „broken-heart-syndrom“ die Rede (schnauf, Glück gehabt, es wird wieder wissenschaftlich!) Und das hat NICHTS mit Homöopathie oder Verschwörungstheorien zu tun.

Anderen helfen in der Corona-Zeit… hätte ich gern gemacht. Allerdings wollte ich umziehen, raus aus einer schimmligen Wohnung, um die sich der Vermieter seit Jahren einen Scheißdreck kümmert. Nach 5 Jahren habe ich den Kampf aufgegeben, erst seit einem Jahr etwa habe ich beim Mieterbund einen Rechtsanwalt gefunden, der sich wirklich für mich einsetzt. Aber die Hunde sind schon schlau, sie wissen genau, wie weit sie gehen dürfen, um ihrer unendlichen Gier nachzukommen. Nicht, dass Mietzahlungen zu verlangen grundsätzlich falsch oder schlecht wäre. Was mich wütend macht ist die Verantwortungslosigkeit, mit der dieser Vermieter auftritt: da wird gerade mal die Fassade schön gestrichen, aber innen sind die Wände ramponiert, die Treppenstufen ausgetreten, die Wohnungstüren so windig, dass man nur dagegen hauchen muss, damit sie aufgehen. Auch als selbstbewußter Mensch kann man sich in solch einem Haus nicht mehr sicher fühlen.

Gleich eins vorneweg: schaffen Sie sich nicht so viele Bücher und CDs an. Das ist mit ein Grund, weshalb ich an einem Tag nicht fertig wurde mit dem Transport meiner Sachen. Seit dem ca. 20. April bin ich mit dem geliehenen Lastenrad fast jeden Tag mindestens 1x hin- und hergefahren, um die alte Wohnung leer zu bekommen. Auf den Straßen der Nordstadt Dortmund immer wieder Menschen, hin und wieder fordert die Polizei, meist über Lautsprecher auf, dass sie sich nicht versammeln sollen. Rein rechtlich geboten, manche mögen vielleicht auch krumme Geschäfte im Sinn haben, aber: dennoch absurd. Denn der Mensch ist keine Wildkatze, die allein durch die Gegend streift!

Zur Einsamkeit, die aufgrund des Versammlungsverbotes noch schlimmer für mich ist, kommt noch der Ärger mit dem alten Vermieter hinzu, der nun die ganze Mai-Miete sehen will, weil ich über das Kündigungsdatum des 30. April hinaus die Wohnung noch nutze. Stimmt, es sind noch ein paar Sachen drin. Diese Mail war erst mal ein Schock. Aber ich werde niemals die ganze Mai-Miete zahlen! Jetzt haben sie es eilig, bei der Aufforderung, den Schimmel endlich zu entfernen, das war scheißegal!

Sicher habe ich es einerseits gut, weil ich mir die Wohnung mit niemandem teilen muss. Aber weil meine biologische Familie kaputt ist (nur kurz: meine Mutter tut das im Kleinen, was der Wahnsinnige und Kranke auf dem US-Präsidentenstuhl im großen macht – und nein, die ARD-Serie „Mord mit Aussicht“ ist NICHT LUSTIG), besteht mein Sozialleben nunmal aus der Gemeinschaft bei Sportkursen, bei gemeinsamen Stadtrundfahrten wie der Critical Mass, der Kidical Mass , der ADFC-Sternfahrt. Das ist alles abgesagt, das Sozialleben tot. Das tut unendlich weh. Und macht mich auch unendlich wütend.

Verstehen Sie mich nicht falsch: ich kann das Versammlungsverbot nachvollziehen, auch dass man sich nicht zu nahe kommen darf. Es ist und war beim Hochschulsport nicht üblich, sich großartig wie z. B. durch eine freundschaftliche Umarmung zu berühren. Aber sich überhaupt nicht treffen dürfen, das ist so bitter, macht mich einfach nur noch fertig. Beim letzten Parcours-Kurs, der mir so viel Spaß machte, weil man dafür kein Halbprofi sein muss, hatte ich noch domicil-Flyer (domicil: Jazzclub n Dortmund) verteilt, es sah so aus, als ob man sich neben dem Sport auch mal dort treffen und nett plaudern könne. Das ist jetzt alles tot und wird es bleiben. Ich glaube aus verschiedenen Gründen nicht an eine Zeit nach Corona. Unser Trainer, kein Angestellter des Hochschulsports, lebt von u.a. diesem Kurs. Ich hatte ihn kurz nach Ausbruch der Coronakrise gefragt, per Nachricht, wie es ihm ginge. Bis heute kam keine Antwort, aber ich befürchte nichts Gutes. Es ärgert mich auch sehr, nicht im Fitnesszentrum trainieren zu können. Ich will nicht zu einer zweiten Regina Halmich werden, aber die Fehler und die Faulheit und Dummheit einer Verwandtschaft vermeiden, die nach der Fressewelle der 1960er Jahre nicht mehr aufgehört hat, zu konsumieren und heute nur über Herz-Kreislaufkrankheiten und Adipositas jammert (und dabei ganz wichtig: dicke Männer sind noch okay, aber Frauen bitte gefälligst nur, wenn sie nachweisen können, auch Kinder produziert zu haben. Dann ist die Wampe gerechtfertigt).

Was heute der Sport ist, war zuerst der Chor. Jahrelang hatte ich immer in einem Chor gesungen, es hat mir auch immer wieder geholfen, mit psychischen Schwierigkeiten fertig zu werden. Gerne hätte ich, als ich vor 5 Jahren nach Dortmund gezogen war, das Singen weiter betrieben. Der zweite Chor, bei dem ich mich vorgestellt hatte, war mir sympathisch, ich hatte auch den Eindruck, dass ich eingeladen gewesen war. Leider wurde es ncihts, weil der Chor schon zu viele Altistinnen hatte. Die Absage konnte ich dem Leiter nicht übel nehmen, dennoch war es und ist es für mich ein herber Rückschlag. Ich komme mir oft vor wie Wolfgang Borcherts Titelfigur in „draußen vor der Tür.“ Und nun habe ich es satt, so satt, immer noch zeitweise Teil einer Gemeinschaft zu sein. Im Studierendenchor damals leider traurige, alltägliche Realität, weil mal wieder jemand sein Studium abgeschlossen oder abgebrochen hat.

Zu meiner großen Verwunderung lese ich immer wieder auf dortmund.de oder den RuhrNachrichten, dass Menschen während der Corona-krise geheiratet haben. Weil ab 27.4. im ÖPNV und Geschäften und in Ämtern Masken getragen werden müssen, gerät das Leben zu einem einzigen absurden Maskenball. Die Braut mit Mundschutz, die Gäste weit auseinander stehend, als ob sie miteinander nicht szu tun haben wollten. Mich ekeln diese Masken auch deshalb an, weil sie mich an ÄrztInnen, an alles Schlechte und Schmerzhafte, Ernste erinnern. Eine Maske IST NICHT HARMLOS, sie inst ein Warnsignal! Auch wenn es für eine Medizinerin oder Pfleger Alltag sein mag, so ein elendes Ding anzuziehen, für uns Zivilisten* IST ES DAS NICHT! Ich halte zwar nichts vom Heiraten, aber: Hochzeit in Coronazeiten abzuhalten, das ist so, als ob ein Fleischer/Fleischeirn oder Gemäsehändler-/in plötzlich nur noch aus Woalle gehäkelte Würste bzw. Gemüse statt echter Ware anbieten würde und eine Kundin oder Kunde ihm dann auch noch sagen würde: jaaa, ich rieche den Duft ihrer Papaya-Früchte oder ihrer Wurst! Ganz klar. Bei einer Hochzeit, in der es auf Nähe, auf Vertrauen, auf Zusammensein ankommt Maske tragen! Wäre es doch nur Theater statt Realität gewesen!

Anfang April musste ich auch Geburtstag haben. ein runder Geburtstag, den ich nicht erleben will. Am Tag selbst kommt kaum gute Laune auf, weil diese verdammten schweren Beine mich kaum loskommen lassen. Gern wäre ich zum Schloß Hülshoff ins Münsterland gefahren, aber dort ist sogar der Park geschlossen, was mich erbost. Dann lasst doch Euren Scheiß, dort brauche ich nicht mehr hin! Ich war schon einmal dort gewesen, um Ruhe nach einer schweren Enttäuschung zu finden. Nur für eine Minitour, vorbei an einem verlassenen Biergarten, hat es gereicht. Als Kind freut man sich noch darauf, älter zu werden. Ab einem gewissen Alter ist das aber nur noch ein Graus. Nein, mir braucht niemand mit Gegenreden kommen. Schaut Euch diese verdammte Gesellschaft doch an! die Jugend wird verehrt und alles, was über 30 oder gar 40 ist, wird verachtet. Erst recht, wenn man zu den Verdammten gehört, die erst nach dem Beruf das Abitur und Studium absolvieren hatten können. Die so froh waren, das geschafft zu haben, nur um dann erneut festzustellen: sie sind nicht erwünscht. Oder man ist schlichtweg zu alt für Freundschaften oder gar Partnerschaften, das ist schmerzlich, aber nachvollziehbar, dass es so ist. Und ja: ich bin wütend und verbittert, auf all diejenigen, allen voran meine Mutter und andere Ereignisse, die mir ein Abitur in früheren Lebensjahren verweigert haben!

Literaturtip von Soiologie-Professor Stephan Lessenich: Soziologie des Alterns. (juhuu, Wissenschaft! Wenn auch keine Naturwissenschaft, ich weiß).

Im ganzen Umzugschaos, der Erschöpfung und,dem ganzen Frust über die Corona-Krise hätte ich fast mein Abitur-Zeugnis weggeworfen. Heute tropfnaß aus,dem Abfall,gefischt. Mein BA,Zeugnis muss auch noch drin stecken, macht aber nix, die Papierabholung ist nicht in den nächsten Tagen.
Dieses Versehen spiegelt aber auch die Realität wieder: dass meine Abschlüsse nichts,wert sind. Jede Absage für ein im Beruf der Journalistin so notwendiges und,wichtiges Volontariat o.ä. wurde abgelehnt bisher. Danke für michts, LWL-Industriemuseum Zeche Hannover! Entschuldigung, dass ich nicht blond oder,dürr oder nicht jung genug gewesen war!!!
Ich hätte,den Job,gerne gemacht. Erst recht, weil ich einen BA-Abschluss in Kulturgeschichte habe. Aber das ist ja nichts wert. Wer keine 25 mehr ist, kann die Schrott-Arbeiten machen, damit diese verdammte Gesellschaft funktioniert.
Mein Brotjob ist momentan nicht so schlecht,wie frühere. Aber er erfüllt mich nicht und ich will damit nicht sterben. Ich,will mit Rundfunkjournalismus mein Geld verdienen, verdammt noch mal.
Wer mir jetzt widerspricht, dass ich mich,selbst nicht abwerten soll:-das tue ich nicht, das machen all,die Institutionen, die mir Absagen schicken und sich für jüngere entscheiden. Alte Menschen, dazu gehören,auch Menschen über 30 oder ab,40 Jahren, sollen gefälligst die Schnauze halten und die Drecksarbeiten,erledigen. In unserer Gesellschaft herrscht ein Jugendwahn. Da nützt das beste Selbstbewusstsein nichts.

Wer mir,widerspricht, ich,solle mich nicht abwerten, der oder die soll mir mal flugs einen anständigen Volontariatsplatz besorgen. Und zwar nicht bei einem scheiß Anzeigenblatt oder Privatsender. Sondern bei einer anständigen Institution, die anständig bezahlt wie der WDR.

Weil das mit großer Wahrscheinlichkeit nicht passieren wird, weil ich zu alt -siehe der Wortlaut absurder Stellenanzeigen – bin und mein Arsch nicht blond und nicht,schlank genug ist (die Entscheider bei Personalfragen sind zu oft Männer), plädiere ich sehr für den Abgang,der gesamten Menschheit. Die Corona-Krise bietet die Möglichkei ,dazu. Irgendwann ist meine Geduld zu Ende. Denn ich nicht nicht so dumm, bis zum St. Nimmerleinstag zu warten.
Eine, sie mich damals aus,dem Campusradio Jena mit rausgeworfen hat, macht jetzt Volo bei Deutschlandfunk Kultur . Ich wünsche ihr von Herzen,eine immer offene Büchse der Pandora. Meine Bewerbung nur für ein Praktikum war nichts wert gewesen. Aber dann in ein paar Jahren jammern, dass die sogenannte Arbeiterschicht nicht bei den Journalisten* vertreten ist! IHR WIDERT MICH mit eurer akademischen Verlogenheit SO AN!!!

Beim WDR gibt es das Programm „Grenzenlos“, das Migrant-/innen ermöglichen soll, für den WDR zu arbeiten. Das ist richtig so und wichtig, denn es sollen diejenigen Medien gestalten, die auch hier leben. Dieses Land Deutschland besteht nunmal nicht nur aus weißgesichtigen, blau- und grünäugigen Menschen. Jeder Sender, jedes Medium, erst recht die öffentlich-rechtlichen, sollen, MÜSSEN solch auch ein Programm für Berufseinsteiger meiner Altersgruppe, ab 30 bis in die 40er Lebensjahre hinein auflegen! Und keine Ausreden, von wegen, man habe kein Geld dafür! Wofür werden Rundfunkgebühren bezahlt? Und dann ist die Kamera oder das Aufnahmegerät, das man benutzt, eben mal 2 Jahre alt! Klar, nach dem Tonband sehne ich mich auch nicht zurück. Ich wäre froh, mir ein gebrauchtes leisten zu können, was auch wirklich was taugt!

Ich lasse nun auch mein bisheriges Leben passieren und mir fällt viel auf, was nicht geklappt hat, was grundsätzlich falsch läuft. Die ganzen miesen Täterinnen und Täter, die mich gemobbt haben und die feigen, dummen Lehrer-/innen, deren verdammte Aufgabe es gewesen wäre, diese Täter zu bestrafen! Wenn die Corona-Krise überhaupt irgendeinen Nutzen, eine gute Folge haben soll, dann die: endlich eine Gesetzgebung, die ohne jede Verjährung alle, wirklich alle Mobbing-Taten und Sexualstraftaten ahndet! doch dafür müsste erst die CDU verboten werden, diese Partei verhinderte regelmäßig gerechtere Gesetze für die Opfer jeder Gewalt. Ich hasse die Täter-/innen bist heute. Und es ist ein Skandal, dass Menschen, die andere nachhaltig so verletzen, nicht lebenslang im Gefängnis sitzen müssen. Und doch, man sieht diese Verletzungen, auch wenn sie nicht auf der Haut oder in den Organen zu sehen sind, Ihr Pfeifen! Kein Friede mit den Täter-/innen, niemals! Ohne Sühne, ohne Bestrafung kein Friede, keine Ruhe für die Opfer!

Zum Vergleich: Kaugummidiebe* und Schwarzfahrer* werden hart bestraft, während Mobber weiterhin ihre tödlichen Straftaten verüben. Nur wenn sich dann jemand umbringt, dann geht wieder das allgemeine Gejammer los. Hört mir doch auf mit der Heuchelei! Schafft Gesetze, die diese Hunde bestrafen!!!

In dieser Gesellschaft will ich NICHT alt werden. Dann lieber vorher sterben, als von einer meist weiblichen, schlecht bezahlten, wenig gebildeten und immer grantigen Altenpflegerin rumgeschoben, gewaschen und im schlimmsten Falle wie ein Kind gefüttert werden müssen. Von den ersten Verfallserscheinungen, die schon mit Mitte 30 auftreten können (schwere Beine morgens, weil die verdammten Venenklappen nicht mehr so funktionieren, wie sie sollten) ganz zu schweigen. Nein, lassen wir es. So wichtig sind wir Menschen nicht.

Woooow, jetzt geht wieder die Beratungs-/Selbstbewusstsein-Stärken und blabla-Maschinerie los. Nein danke, hatte ich schon. Hören Sie auf, von den Opfern zu fordern, dass sie sich beraten lassen sollen! Bestrafen sie die Täter-/innen, die haben das bitter nötig! Ganz gleich, wie lange diese Taten schon zurück liegen, sie müssen geahndet werden! Stellen Sie Forderungen an die Täter-/innen, nicht an die Opfer! Die haben schon genug gelitten!

„Da müssen wir jetzt durch.“ Nein, müssen wir nicht. Ich glaube nicht mehr daran, dass manches nach der Coronakrise besser wird, dass z. B. dieser Wahnsinn der forderung nach immer mehr Wachstum endlich aufhört, dass die Politik sich endlich auf eine lebenswerte Zukunft einrichtet und den Klimawandel wirklich aktiv bekämpft. Dass dieser Autowahn im deutschen Straßenverkehr, der so vielen Menschen, nicht nur Radfahrenden, täglich Kraft, zuviel Nerven, zuviel Zeit und das Leben kostet, aufhört. Dafür müsste man die CDU als zukunftsfeindliche Partei verbieten. Das wird aber kein BVG durchgehen lassen. Allen voran unser „toller Wirtschaftsminister, der von mir meistgehaßte Politiker, der auch schon über Fridays for Future schimpfte, als ob da ein paar Teenager für billigere Pullis statt für ihre Zukunft protestieren wollten, ist ein Hauptverantwortlicher für die zukunftsfeindliche Politik in diesem Land.

Vielleicht bekommen manche Menschen jetzt mehr Geld, weil man den Wert ihrer Arbeit als Pflegekraft, Rettungsassistentin, Verkäuferin etc. endlich erkennt. Vielleicht. Ich habe meine Zweifel daran.

„Da müssen wir jetzt durch.“ Nein, müssen wir nicht. Von dem ganzen Elend der möglichen Partnerschaft, dem ewigen, sinnlosen Bangen und Hoffen will ich gar nicht reden. Nur so viel: wer sich bald 20 Jahre nicht für eine Frau interessiert, der soll einfach nur noch das Maul halten und mit Freundschaft sich zufrieden geben. Nach einer schweren Enttäuschung, die mir fast das Leben gekostet hätte (wooow, ja ich weiß, jetzt wird es wieder kitschig und so ganz schlimm unwissenschaftlich für die Technik-Verliebten, tut mir nicht leid für Euch Unverständigen), der Beobachtung der Gesellschaft und den Büchern der Soziologin Eva Illouz („Liebe im Kapitalismus“) habe ich es aufgegeben, in diesem Leben wirklcih noch Liebe zu finden. Von all den armen Schluckern, Trotteln und auch Psychopathen, die meinten, mich emotional (nicht finanziell) ausnutzen zu können, gar nicht zu reden. Die in einer Frau nur ihr Dummchen, das si in ihrer Unselbständigkeit bekocht, ihre Hure und Sozialarbeiterin ist, weil sie selbst unwillens oder unfähig sind, sich slebst um die eigenen Probleme zu kümmern. Lasst es einfach. Lassen wir es einfach. die Corona-Krise gibt uns die Chance dazu, endlich mit der menschlichen Existenz Schluss zu machen. Und zwar alle. Noch einmal umziehen (das habe ich gerade gemacht), noch einmal zur Arbeit gehen, noch einmal Freunde anrufen, noch einmal Radfahren, Musik hören… und dann geordnet alles menschliche Tun und Leben beenden. Die Radiosender stellen nach und nach ihren Betrieb ein, das Programm von DLF Kultur, was ich ein- oder zweimal während der Coronakrise gehört hatte, war grauenhaft gewesen. Kein Wunder, ohne Theater- oder Konzertaufführungen gibt es auch ncihts zu berichten. Irgendwann sind auch die Streaming-Tips nur kalter Kaffee.

Diejenigen, die nicht technikgläubig sind, können sich dann über zoom oder andere Konferenzplattformen dann bis zum Ableben aus den Büchern von Eva Illouz vorlesen, oder aus Albert Camus`“Die Pest.“ Weitere Literatur: Margarete Stokowskis „Untenrum frei“ für alle, die immer noch nicht wahrhaben wollen, dass Sexismus verboten und bestraft gehört.

Wer diese Verweigerungshaltung gegenüber der angeblich bevorstehenden Zukunft nach der Coronakrise nicht nachvollziehen kann oder will, dem empfehle ich dringend „Bartleby the Scrivener“von Herman Melville. Auch das eignet sich zum gegenseitigen Vorlesen.

Und ganz wichtig: der Soundtrack zum Abgang der Menschheit. Nur um die Kunst ist es schade, wenn der Mensch nicht mehr ist. Denn die Tiere können weder Kunst erschaffen noch deren Wert und Inhalt begreifen. Die Playlist zum Abgang der Menschheit:

  • Oscar Petersons Version von „summertime“
  • erst recht wegen enttäuschter Liebe: „Back tu black“ von Amy Winehouse
  • Weil ich nicht mehr kämpfen mag und kann: „Kapitulation“ von Tocotronic
  • Und wer es lieber „klassisch“ mag: Richard Strauss „Tod und Verendung“ (die negative Version seiner Komposition „Tod und Verklärung“, denn es gibt hier nichts zu verklären) oder die Bach-Kantate „ich habe genug“
  • und kurz vor Schluss, da darf es ruhig auch noch mal rührselig werden: der „Abendsegen“ aus der Oper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperndinck.

Wenn endlich Schluß ist mit allem menschlichen Leben, dann muss ich und alle anderen Opfer auch nicht mehr über die Mobber, über schlampige, verantwortungslose Vermieter, Idioten* im Straßenverkehr, über Psychopathen, die frei herumlaufen dürfen, ärgern. auch nicht über die widerlichen Trottel, die mich anmachen wollen und oftmals meine gerade andauernden schwachen Momente ausnutzen wollen (kein Mensch ist ständig 24 Stunden psychisch total stark und wehrhaft!) Keine Schmerzen mehr, auch nicht wegen Einsamkeit. Und vielleicht gibt es wie in Astrid Lindgrens „die Brüder Löwenherz“ eine zweite Welt, in der man die wenigen Menschen, die einen wirklich geliebt haben, die aber gewaltsam aus diesem Leben gerissen wurden und man wieder nur den Arschlöchern ausgesetzt war (Familie) wieder treffen kann. Von der christlichen Scheiße will ich gar nichts wissen, mit dem Müll musste ich aufwachsen. Ich wäre schon zufrieden, wie Demeter in den Hades hinabgehen zu dürfen, um Verstorbene treffen zu können und ihnen das sagen zu können, was im Leben nicht möglich gewesen war zu sagen.

Menschen sind nicht fähig, friedlich zusammen zu leben. Das zeigen die zahlreichen Konflikte im Nahen Osten, das Sterben auf dem Mittelmeer, bei dem zu viele europäische Regierungen nur zusehen. Das zeigte nicht nur meine Familie jeden Tag deutlich, deshalb bin ich auch mit 19 Jahren ausgezogen. Die Corona-Krise hat alle sozialen Verwerfungen und Probleme wie häusliche Gewalt, Gewalt gegen Flüchtlinge und Einsamkeit noch verschärft. Ich habe Kulturgeschichte und Soziologie studiert und abgeschlossen, mich immer wieder selbst reflektiert, um diese Gesellschaft zu begreifen und besser zurecht zu kommen. Aber es geht nicht weiter jetzt. In einer Stadt und Gesellschaft ohne den Jazzcoub domicil, ohne Sportkurs oder Chor will ich nicht leben. Nicht ein Traum ist in Erfüllung gegangen. Warum also weiter sinnlos dahin vegitieren? Ich habe keine Hoffnung mehr. Deshalb SCHLUSS JETZT. Mit der gesamten Menschheit. Ohne metaphysisch sein zu wollen: die Coronakrise könnte ein Zeichen dafür sein, genau das zu tun. Denn die Erde braucht keine Menschen.

„Sie sind gerade verstorben.“

Eine quadratisch aufgestellte Tischreihe, dahinter Menschen, die einer Pressekonferenz gleich zum Publikum in der Mitte sprechen. „Wir müssen Ihnen mitteilen, dass Sie gerade gestorben sind.“ Wichtig wirken sie, die Sprecherinnen und Sprecher, wenn auch nicht hochmütig.

Ein absurder, deshalb lustiger Satz. Wer tot ist, bekommt doch nichts mehr mit. Oder doch? Was geht hier vor? WO sind wir hier eigentlich?

Nur 1 Stunde dauert das Theaterstück After Life von Thorsten Bihegue, gespielt vom Dortmunder Sprechchor. Die Begrüßung „Sie sind gerade verstorben“ ist absurd und verwirrend,  das „Firmenlogo“ After Life wirkt grotesk. Was ist das für eine seltsame Gemeinschaft, die hier die Neuankömmlinge = das Publikum begrüßt? Was ist das für ein Ort, an dem es keine Liebe und keine Angst mehr gibt? Ein luftleerer Raum wie das Weltall, nur ohne Weltraumschrott?

After Life ist nach einem Film entstanden, dessen eingeblendeten Namen und Regisseur ich vergessen habe. Name dropping ist nun auch unwichtig. Wichtig sind die Erinnerungen, die man mit ins Jenseits nimmt; wer keine hat, der muß an dieser seltsamen „Firma“ After Life teilnehmen, die alles firmenartige inne hat: eine Frauenbeauftragte, ein Fundbüro, und – Besonderheit: jemand, der die verlorenen Seelen aufsammelt, eine andere katalogisiert die Träume.  Das ist berührend. Die Erinnerungen von 2 Personen werden erzählt. Und als Zuschauer-/in ist man nicht gelangweilt  oder genervt wie in der U-Bahn, wenn wildfremde ihre intimsten Dinge erzählen müssen, nach denen man nicht gefragt hatte. Das ist das ‚Faszinierende am Theater.

Niemand weiß, was nach dem Tod kommt. Umso wichtiger ist es, sich darüber Gedanken zu machen, was  danach sein könnte. After Life berührt auf besondere Weise: mehr nachdenklich als amüsiert bleibt man als lebende Theaterbesucherin zurück. Bei manchen Dingen reicht es, wenn man sich erinnern kann. Doch bei den Menschen, von denen man sich nicht verabschieden konnte und die zu früh gestorben sind – weil es die Familienmitglieder verweigerten oder Krieg und Verfolgung unmöglich machten- wünscht man sich die griechisch-antike Sage von Persephone und Demeter ins eigene Leben. Auch wenn es keine Wiederbelebung mehr geben kann: wenigstens einmal im Monat, überhaupt nur noch einmal ins Totenreich hinabsteigen können, um einem lieben Menschen Adé zu sagen. Um das zu erzählen, was man so gern gesagt hätte, was der grausige Tod aber verboten hat.

Denn im luftleeren Raum bei After Life zu sein, ohne Angst zwar, aber auch ohne Liebe…ohne Alterungsprozeß… auch das hält kein Mensch lange aus, ohne wahnsinnig zu werden.

Sehr positiv ist auch, dass das Thema Tod und Leben  in After Life abseits von religiösen Kontexten betrachtet wird.

Danke an das Theater Dortmund /Schauspiel für dieses Stück. Es ist toll, auch mal Laien, also Dortmunder Bürgerinnen und Bürger auf der Bühne zu sehen. Viel Handlung gibt es in After Life nicht – und dennoch wird es nie langweilig und man versteht den Text. Durch das Sprechen im Chor entfaltet sich eine ganz andere Wirkung: die Worte wirken deutlicher, wie mit Nachdruck gesprochen.

Die Website vom Theater Dortmund zu After Life : https://www.theaterdo.de/detail/event/19029/

 

 

Kein stolzer Held

Mehrere sich kreuzende, übereinander gelegte Baumstämme auf der Bühne. Zweit Gestalten in Lodenmänteln und Karohemden sitzen auf den Baumstämmen, man hört Kuhglocken: Hirten, die ihre Kuh- oder Schafherden hüten. Idylle auf einer Alpenwiese.Scheinbar. Es regnet immer wieder, manchmal gibt es auch Gewitter – die Natur bedroht den Menschen in der rauen Alpenregion immer wieder.

Im Kinder- und Jugendtheater (KJT) Dortmund läuft „Wilhelm Tell“ von Friedrich Schiller. Am 4. Mail 2016 habe ich mir das Stück einmal angesehen. Den Stoff kannte ich schon, ein gewisser Rossini hat dazu mal Musik geschrieben – jetzt wurde es Zeit für das Schauspiel des Sohns vom Gärtner des badischen (oder württembergischen?) Fürsten. Das Thema Freiheit muß für Friedrich Schiller auch sehr wichtig gewesen sein,wurde seine persönliche Freiheit doch ebenso bedroht wie die von Wilhelm Tell.

Bevor der berühmte Schuß auf den Apfel stattfinden kann wird der Zuschauerin die Lebenswelt der Bewohnerinnen und Bewohner in den Teilen der Schweiz um das Jahr 1300 gezeigt. Der Reichsvogt, der anstelle des österreichischen Kaisers hier regiert, tut dies mit einer Willkür und Grausamkeit, die kaum zu ertragen ist, auch wenn diese Greueltaten auf der Bühne des KJT nur angedeutet werden: Soldaten können einen Verdächtigen nicht finden, also morden sie dessen Herde (man hört die nachgeahmten Schreie des sterbenden Viehs, aber keine zerfetzten Tierleiber) und vernichten somit die Lebensgrundlage des Hirten Baumgart. Baumgart hat einen anderen Vogt erschlagen, weil dieser nicht nur sein Haus verwüsten, sondern auch seine Frau vergewaltigen wollte. Absolutismus und Leibeigenschaft in reinster Form und mit voller Gewalt.Die Regeln von Achtung vor dem Leben und Besitz des anderen gelten nciht für den Reichsvogt; er holt sich mit Gewalt alles, was er will (Schafe, Geld, Sex u. a.). Heuchlerisch klingt da die Rede von Gessler über das gesetzlose Volk, das ihm nicht gehorchen wolle.

Wenn man sich dies bewußt macht, was Absolutismus und Monarchie als Regierungsform bedeuten so erschreckt es, dass es heute im 21. Jahrhundert noch Menschen gibt, die sich einen König oder Fürsten wünschen; „einen starken Mann“, der alles regelt. Grausame Vorstellung.Manche und Mancher hat aus der Geschichte nichts gelernt.

Die Menschen in den Alpentälern der Schweiz haben genug von den Grausamkeiten des Reichvogts Gessler.. Aus verschiedenen Landesteilen, die heute die Kantone (z. B. Uri) sind, kommen sie zusammen, um Umsturzpläne gegen den Tyrannen zu besprechen. Wilhelm Tell selbst ist nicht dabei, er will abwarten, weil er meint, dass vor allem Herrscher, die schnell an die Macht kommen, auch schnell wieder verschwinden würden. Diese Ansicht Tells bestätigt sich in einer Begegnung mit dem Reichsvogt, von der Tell erzählt: der Vogt sei ihm mal in den Bergen begegnet, allein. Der Weg war zu schmal, als dass man sich ausweichen hätte können. Der Reichsvogt war allein und unsicher, fast angstvoll – und Tell der eigentlich stärkere, mächtigere als Mensch. Leider hat der Reichsvogt aber mehr Macht – auch über Tell.  Das Wohl seiner Familie ist Wilhelm wichtiger. In dieser Haltung kommt einer der zentralen Konflikte dieses Dramas vor:

Soll man sich für die Allgemeinheit einsetzen und seine eigene Familie dafür ggf. im Stich lassen? Oder ist es legitim, wenn man zuerst auf die eigenen Leute achtet? Der Vowurf des Egoismus steht im Raum, ganz gleich, wie man sich entscheidet.

Es ist zum Teil mühsam, den Monologen der Schauspieler zu folgen, weil sie „nur“ erzählen, was sie erlebt haben – so wie im griechischen antiken Theater. Aber das ist eben Schiller. Vielleicht hätte man den Text hier und da noch etwas kürzen sollen.

Eintrittskarte_1

Ganz zurückziehen ins Private kann aber auch Tell sich nicht. Die Ruhe hat Wilhelm Tell nur, wenn er dem Reichsvogt nciht begegnet – seine Sicherheit ist trügerisch.  Weil er sich weigert, dem im Ort aufgestellten Hut des Vogts zu grüßen, stellt ihn der Reichsvogt Gessler zur Rede. Jede(r) weiß, wie lächerlich das ist; selbst die Soldaten lästern über den Hut – aber der Wille des Diktators gilt, mag er noch so ein dummer oder schwacher Mensch sein – dies ist bis heute so. Tell soll den Apfel vom Kopf seines Sohnes schießen. Später wird ihm seine Frau Vorwürfe machen, doch Tell muß sich dem perfiden und brutalen Willen des Mächtigen beugen.

„Wilhelm Tell“ mag mancher und manchem in der Sprache verstaubt klingen (bei den langen Monologen gab es schon eher mal Geflüster im jungen Publikum), auf menschlicher Ebene spiegelt das Drama einen weiteren aktuellen Konflikt wider: soll ich in Zeiten von Hartz IV anderen helfen trotz Gefahr, finanziell und materiell abzustürzen oder soll ich nur für mich selbst sorgen? Wilhelm Tell hat den flüchtigen Baumgart über den See gesetzt, der Fährmann hat sich aufgrund des starken Sturms geweigert, seine Arbeit zu tun. Die Überfahrt gelingt, Baumgart kann fliehen – doch Tells Frau ist entsetzt, dass ihr Mann sich dieser Gefahr ausgesetzt hat.

Doch auch wenn Wilhelm Tell mit seiner guten Treffsicherheit den Apfel statt seinen Sohn trifft, ist die Schreckensherrschaft nicht vorbei. Erst wenn die Diktatoren nicht mehr sind, hat die Gewalt ein Ende, können sich die Menschen selbst organisieren und frei sein.

Frieden gibt es noch lange nicht. Mit Heugabeln und Äxten kommen die Hirten am Ende auf die Bühne gelaufen, eine Geräuschkulisse deutet blutige Kämpfe an. Tell sitzt nachdenklich mit hängendem Kopf und ohne seinem Hut auf einem Baumstamm. Er ist kein stolzer Held, wie ihn die anderen gern hätten; er rühmt sich nicht, denn er hatte nicht zum Mörder werden wollen; gilt nicht für den einfachen Mann die selbe Regel wie für den Sohn des Kaisers, dass man seinen Vater ehren solle? Die Willkür und Grausamkeit eines sadistischen Fürsten hebeln all diese Regeln aus; sie gelten nciht mehr.

Freiheit – auch ein aktueller Stoff.

Freiheit wünscht sich jede und jeder; niemand möchte in ihrem und seinen Denken eingeengt werden, in ihrem oder seinem Handeln behindert werden. Die meisten der jugendlichen ZuschauerInnen werden wohl kaum solch starke Grenzen von ihren Eltern aufgezeigt bekommen haben, die sie in ihrer Entwicklung behindern; finanziell und materiell schränkt Hartz IV die Menschen elend ein.

Freiheit bedeutet aber auch: für sich selbst und andere Verantwortung übernehmen. Wenn mir niemand vorschreibt, was ich zu tun und zu lassen habe, muß ich mir selbst Gedanken machen, wie ich mich organisiere, was ich mache oder nicht mache. Das kann auch anstrengend, nervend oder furchtbar sein – doch es ist wichtig, dass man sich dieser Verantwortung stellt. Nur dann kann man auch wirklich leben, anstatt wie eine Marionette von anderen für deren Willen mißbraucht werden; sei es dass man emotional, materiell oder finanziell ausgenutzt wird.

Freiheit erscheint manchen Menschen auch trügerisch. Sie scheuen die Verantwortung oder haben nie gelernt, sie für sich und andere zu übernehmen. Immer brauchen sie jemanden der oder die ihnen sagt, wo es langgeht. Diesen Leuten erscheint es verführerisch, solche Machthaber wie Reichsvogt Gessler zu haben – trotz der damit verbundenen Unterdrückung, weil Einschränkung der eigenen persönlichen Freiheit. Lieber kuschen, solange der Kühlschrank noch voll ist und man regelmäßig Nachschub an Essen und anderen materiellen Dingen bekommt. Wen kümmert Politik, wen kümmert Gesellschaft, die Not der anderen, die vielleicht grade nicht so aussehen und sprechen wie wir?

 

Trotz allen Ernstes machte es großen Spaß, „Wilhelm Tell“ auf der Bühne des Kinder- und Jugendtheaters zu sehen. Dafür sorgte ein gut aufgelegtes Ensemble, das auch mit der Ersatzbesetzung durch die Regisseurin überzeugen konnte (an dieser Stelle meine Genesungswünsche für den erkrankten Schauspieler). Zwar wirkte sie als kleiner Soldat weniger bedrohlich, konnte dieses Manko aber durch eine laute, ausdrucksstarke Stimme ausgleichen. Putzig erschien der Schauspieler von Tells Sohn, dem man das Klein-Kind-Sein in seinem großen Erwachsenenkörper nicht so recht abnehmen wollte – dennoch wurde die Handlung klar. Große Bewunderung verdienen die Musiker und Musikerinnen. Wie man aus Plastikrohren, Staubsaugerschläuchen sowie Benzintrichtern sich Alphörner bauen kann… und dann auch noch Töne herausbekommt! Tolle Idee! Trotz der Belustigung für die Musik sind die „Alphörner“ aber nicht nur lustig. Sie spiegeln im Klang und Ausdruck den Ernst der Lage wider, indem sie als Signal bei Aufständen gegen den Reichsvogt dienen.Hier und da hätte man sich auf der Bühne etwas Gras- oder Moosmatten gewünscht, ist doch ständig von Schafen und Weiden die Rede; die Baumstämme allein wirken doch recht kahl.

Und hey liebe Schülerinnen und Schüler: ab sofort könnt Ihr mit geflügelten Sprüchen bei Euren LehrerInnen angeben. 😀 Ich habe selbst gemerkt: aha, daher kommt als dieser Spruch! (z. B. „Wer viel bedenkt, wird wenig leisten“ stammt aus dem Drama „Wilhelm Tell“ von Friedrich Schiller). Die Szene, als Tells Frau das geschlachtete Tier aufschneidet, mag auf Euch brutal gewirkt haben; aber jede(r) braucht eben auch was zu essen, auch Fleisch. Die Wurst, die man abgepackt kauft, ist nicht anders entstanden als durch Schlachtung. Wobei die Menschen um 1300 niemals soviel Fleisch gegessen haben wie es viele heute tun (und über ihren hohen Fleischkonsum nachdenken sollten).

Wilhelm Tell, Schauspiel von Friedrich Schiller

am Kinder- und Jugendtheater des Theaters Dortmund

http://www.theaterdo.de/detail/event/16813/

Nächste Vorstellungen: 8, 9., 10. und 12 Juni 2016 – ANSEHEN! (und die Karten werden knapp….)

 

 

 

 

 

 

Die Liebe in Zeiten der Glasfaser – Schauspiel am Theater Dortmund

Im Nachhinein habe ich es bereut, nicht zur Premiere des Musicals „Next to Normal“ im Opernhaus gegangen zu sein. Doch da ich sehr oft im Opernhaus bin, sollte das Schauspiel auch wieder Beachtung finden… der Titel des Stücks klang vielversprechend. Wie gestalten sich Beziehungen, die über lange Distanzen gehalten werden sollen

Bis ca. Dezember 2016 wird im Schauspielhaus umgebaut, weshalb einige Vorstellungen im „Megastore“ draußen in Dortmund-Hörde stattfinden. Es ist nicht so einfach, dort hinzukommen. Von welcher der U-Bahnstationen aus man auch noch fährt, sind es locker 12 Radelminuten bis zum „Megastore für Mega-Theater“, wie es in großen Lettern auf dem Container prangt, in dem das Schauspiel Dortmund nun Platz findet. Auf die Buslinie  ist Samstag abend nicht unbedingt Verlaß.

Nun habe ich hingefunden, die Garderobe kostet nichts, es gibt nur eine Toilette. Wenn man durch die Räumlichkeiten läuft, eine Art Vorhalle mit Garderobe und daran anschließend eine große Halle, die in kleinere Räume eingeteilt ist. Ein Raum davon dient als Aufführungsort, man wird  an das Theaterhaus Jena erinnert. Keine schöne Erinnerung für mich, denn bei aller Freude am Theater kam ich mir in Jena immer vor wie im Heizungskeller und Abstellraum. Ein Jammer, dass in Jena IMMER  solche Verhältnisse herrschen. In Dortmund glücklicherweise nur  zeitlich begrenzt. Sicher kann eine Art „Baustellensituation“ der Kreativität auch förderlich sein. Auf Dauer wirkt alles aber sehr bemüht, platt und auch irgendwie nervig auf mich als Zuschauerin. Irgendwann aber sicher ist es dann nämlich auch gut mit der Improvisation, wenn man keine ordentlichen Kulissen hat.

Das Stück „Die Liebe in Zeiten der Glasfaser“ dreht sich um 2 Paare, die sich aus beruflichen Gründen für einige Monate trennen müssen und auch wollen: Prof. Wolf Adam (Uwe Schmieder), der als Mediensoziologe für einen Lehrauftrag nach Aalborg in Dänemark geht, seine Lebensgefährtin Helena (Friederike Tiefenbacher), eine Schauspielerin, die für ein Theaterprojekt „Fuck YEurope“* nach Breslau geht  – und die jüngere Fraktion:Studentin Antonia (Julia Schubert), die ihre Masterarbeit bei Prof. Adam schreiben soll und ein Auslandssemester in Rom macht und ihr Freund Tomasz (Peer Oscar Musinowski), der als einziger zurückbleibt. Für Tomasz scheint es bei IKEA auf der Karriereleiter aufwärts zu gehen.Die „Business Leadership Competence“ = BLC*(Führungskompetenz im Unternehmen) ist ein Förderprogramm für vielversprechende IKEA-Angestellte, das Autorität, sicherheit, Anerkennung verspricht – aber auch die Gefahr des Ausgesiebt-Werdens beinhaltet.  Anfangs spielen sie noch vergnügt Tischtennis, während die Zuschauerinnen eintrudeln, der Eingang ist neben der Bühne nicht hinter dem Zuschauerraum, wie man es sonst kennt. Der Zugang ist ebenerdig, die Bühne ist nicht erhöht. Ausverkauft ist das Theaterstück nicht. Ob es manchmal kalt wird, weil Decken auf jedem Stuhl liegen?

Tomasz ist anfangs eine Art Ansager mit Mikrophon, der erklärt, wie die Geschichte ungefährt ablaufen wird, man erfährt z. B. dass einer der Beteiligten sterben wird. Er trägt ein blau glänzendes Oberteil, später eine Art Overall, passend zu seinem Beruf als Logistiker bei IKEA. Umständliche, fast verlegene Abschiedsszenen spielen sich dann ab. Die Abwesenheit der einzelnen Figuren wird durch verschiedene Räume dargestellt: außer Tomasz hat jede(r) seine eigenen Raum, der das eigne Zimmer in der fremden Stadt ist: ein Metallgestell auf Rollen, umspannt von durchsichtiger Folie.Das Innere ist mit Kissen, Stühlen und anderen Einrichtungsgegenständen ausgefüllt.  Jede(r) hat sein Laptop vor sich, wenn ein Telefonat über skype stattfindet (Untertitel des Stücks „Ein Stück skype“), sind die hellen Bühnenvorhänge zugezogen und die beiden Gesichter der Telefonierenden tauchen übergroß auf dem Vorhang auf. Der skype-Klingelton in Form einer Popsong-Melodie arrangiert, kündigt das jeweilige Telefonat an.Wenn die Figuren sich dann doch mal direkt treffen statt nur übers Internet zu telefonieren, stehen und laufen sie vor den Folienquadern.

„Die Liebe in Zeiten der Glasfaser“ soll darstellen, was passiert, wenn Beziehungen zu Fernbeziehungen werden. Die Frage, ob und wieviel Gemeinsamkeit (noch) herrscht, ob man dem oder der anderen noch vertrauen kann oder was die Beziehung letztendlich kaputt macht… all das kommt nur versteckt bei mir als Zuschauerin an.Im Vordergrund sind leider platte, weil so überdeutliche Charaktere: der Professor, der immer nur beim Vornamen genannt wird („Wolf“), der ganz klar was mit einer Studentin hat, sind doch in seiner Seminarliste nur  Teilnehmerinnen verzeichnet, Antonia, die zumindest irgendeine Art von Verhältnis mit dem Prof. Adam hat, bei dem sie auch noch Masterarbeit schreiben soll und Helena, die zuerst noch ganz freimütig erzählt, sie würde abends noch heftig feiern gehen mit den anderen Schauspielkollegen in Breslau („ich habe auf dem Tisch getanzt.“) Antonia ist ein braves und doch auch rotzfreches, immer gut aussehendes Mäuschen mit Rehaugen, das immer dann zu weinen anfängt, wenn sie merkt (wie sie selber einmal sagt), dass sie keine Argumente hat, um sich durchzusetzen. Ein billiger, mieser Trick. Leider fallen darauf immer wieder Leute rein, nicht nur Männer. Mich nerven solche Damen gewaltig! Verstanden hat sie ihren Freund Tomasz noch nie („ich interessiere mich auch nicht für seine Möbel“), er kapiert auch nicht, was sie wirklich macht, wenn sie über ASMR* (Autonomous Sensory Meridian Response) ihre Abschlußarbeit schreibt. Das einzige, was die beiden, so vermutet man stark, zusammengehalten hat, war das „harte Petting“ (Zitat von Antonia). Das geht selbst natürlich über skype nicht. Sehr teeniehaft und auch lächerlich und auch hilflos, wie Antonia einen Zungenkuß vor dem Bildschirm versucht. Anfangs ist sie noch total hilflos und hat Horror vor dem „gruseligen Mitbewohner.“ Später hört man sie auf italienisch mit einem möglicherweise anderen  WG-Mitbewohner reden, der -ach welch Unhöflichkeit – ins Zimmer getreten ist, während sie mit Tomasz telefoniert. „Wir wollen ausgehen.“ Das ist für das einfachere Hirn von Tomasz zuviel. Er dreht durch, als der Gründer von IKEA zu ihm an die Arbeitsstelle kommt und er nicht die Anerkennung erfährt, die er sich erhofft hat. Das Aussieben beim BLC* hat stattgefunden.  Ein durchaus mögliches Szenario, gut gespielt.

Sehr bald wird auch klar, wieviel man sich gegenseitig vorspielt und auch vorlügt, wenn die Beziehung fast nur noch über Skype läuft.Ein Stück Selbstironie ist wohl auch dabei, als Helena in einem der ersten skype-Telefonate sagt: „Die machen in Polen (man bedenke dabei auch die derzeitige Kulturpolitik im Nachbarland)  so krasses politisches Theater. Das braucht man als Schauspielerin.“ So sehr wie Helena über das gemeinsame Feiern mit den Kollegen (die „Kollegen“ werden von den Zuschauern „dargestellt“, indem die Schauspielerin das Laptop vor einen der Zuschauer hält) begeistert erzählt, so wird bald klar, dass ihr die zugeteilte Rolle als „Nazi-Schlampe“ nicht gefällt. Läuft eben doch nicht so toll, wie man es sich gewünscht htte. Symbolhaft dafür: der Rock, den sie tragen soll, paßt nicht. Die erwarteten blonden Haare hat sie auch nicht. Etwas schmunzeln mußte ich über den gefüllten BH, den sie im „Stück des Stücks“ in Breslau tragen soll.Andere Damen haben genauso (un)freiwillig schon natürliche Füllung, die genug ist…. Das ganze spitzt sich zu, weil sie eine Vergewaltigungsszene spielen soll. Nach Aussage des Produktionsdramaturgen kam die Idee zu dieser Szene von der Schauspielerin Friederike Tiefenbacher selbst.  Es ist grausam, wie die Regisseur_innen nur ganz nüchtern Ansagen treffen, Helenas Spiel sei immer noch nicht realistisch genug. Das ist schon klar, dass hier das Regietheater damit auf die Schippe genommen werden soll. Aber muß es solch eine grausame Szene sein? Auch wenn es nur angedeutet ist weiß jeder, welches grausame Verbrechen damit dargestellt wird. Ich hatte, weil diese Szene auch einige Zeit dauert überlegt, in diesem Moment zu gehen. Leider saß ich jedoch so ungünstig, dass ich einige Leute aufscheuchen hätte müssen. Also pardon, das muß wirklich so nicht sein, wenn man das Regietheater kritisieren will! Diese Szene schockt nicht nur, sie widert an und läßt einen getroffen und verletzt zurück. Das Thema Vergewaltigung kann man auch anders behandeln!

Wolf ist ratlos ob solcher Szenen, die Helena spielen soll. „Ist das deine Wahrheit?“ fragt er sie über Skype. Es wird klar, dass Helena an diesem Punkt ihren Job haßt. Die Frage bleibt, was man einer Schauspielerin oder einem Schauspieler zumuten kann und darf,  damit sie oder er nicht seine Würde, ihr und sein Menschsein verliert. Letztendlich ist es dann doch nciht so toll in Breslau und in Aalborg: das Stück wird verboten, Helenas Rolle ist gestrichen und Wolfs Wohnhaus ist tief verschneit, so dass er nicht mehr raus kann. ein mysteriöses europaweites Flugverbot macht jeden Besuch fast unmöglich. Studentin Antonia hat es satt, immer nur die „Sekretärin“ für den Prof. Wolf Adam zu sein, das Thema ASMR* nervt sie sowieso (im ZÜNDFUNKvom 22.01.2016 sagte Moderatorin F. Storz zu Recht sie würde bei dem blöden Geflüstere und Geraschel, das beruhigend wirken soll und auf youtube anzuhören ist, richtig aggressiv werden) – und hält ihrem Prof eine laute Standpauke. Das kann der wiederum überhaupt nicht verstehen, dass sie sich ihre Karriere im Institut selbst kaputt macht. Es spricht Bände, dass der Prof bei einem Vortrag auf die auf dem Bauch liegende Antonia (auf dem Tisch liegend) immer wieder seine Hände legt und umher streicht. Das sind wohl seine Gedanken, was er noch so gern von Antonia gehabt hätte…. Sein Auftritt als Teufel mit der Maske, wie er über eine Luftmatratze streicht und solche ASMR-Geräusche erzeugt, während Antonia spricht machen deutlich, wie blank die Nerven liegen und das dieses seltsame ASMR alles andere als beruhigend wirkt.

Am Ende stirbt einer, der dann in der Schlußszene noch mal als Engel in durchsichtiger Plastikfolie auftaucht (und auch ein eingepacktes IKEA-Möbelstück sein könnte). Das Leben geht weiter – aber wie? Ist es besser, gar keine Beziehungen zu haben, weil man dann keine (0der weniger tiefgehende) Enttäuschungen erfährt? Wie behält man das Vertrauen und die Liebe zueinander, wenn man eine Fernbeziehung führt oder führen muss? Leider wird das, um was es im Titel „Die Liebe in Zeiten der Glasfaser“ wirklich gehen soll, nicht so deutlich klar, wie ich es mir gewünscht hätte.

Im Vordergrund sind die Figuren, die die Klischees vollständig ausfüllen: der eher stumpfsinnige IKEA-Logistik-Mitarbeiter  Tomasz und seine noch halb-teeniehafte Freundin Antonia, die ihm zum Beweis „wir sind frei!“ ein blutiges Tampon vor die skype-Kamera hält (wie lange ist es schon her, dass sie Sex mit Tomasz hatte? Kann man noch Vertrauen ineinander haben?), der Professor, der ein oder mehrere Techtelmechtel mit „seinen“ Studentinnen hat. Es gab sogar Kritiker-/innen, so konnte ich im Pressespiegel nachlesen, die der Vergewaltigungsszene was Humoriges abgewinnen konnten. Nein, in dem Stück ist sehr wenig bis gar kein Humor.

Es wäre besser gewesen, statt der klischeehaften Charakterzeichnungen – das Stück wurde mit den Schauspieler-/innen entwickelt, es gab keine Vorlage – eben das in den Vordergrund zu stellen, was „die Liebe in Zeiten den Glasfaser“ ausmacht und was sie kaputtmacht: das Sich-Auseinander-Leben, das Fremdwerden oder auch Sich-Wieder-Begegnen-Können, das gegenseitige Anlügen oder doch die Wahrheit erzählen. Nur an wenigen Punkten kommt dies im Stück raus (Helena sehr bemüht:“Man kann doch nicht immer mit den selben Worten eine Mail beenden“).

Beim Nachgesprach in der von gelben Leuchtröhren bekränzten Bar (bei diesen Wellblechwänden muß man sich wie in dem MAN-Haus im Freilichtmusieum Bad Windsheim fühlen- alles andere als gemütlich) betonte die Schauspielerin Julia Schneider die Ambivalenz der Figur Antonia: einerseits spielt sie immer das arme, hilflose  Mäuschen, das unterstützt werden will, andererseits haßt sie diese Rolle auch. Und einmal hat sie auch genug von der dienenden Rolle für den Professor, den selbst die Studentin Antonia immer „Wolf“ nennt (hui, wie persönlich! Und das zu einem Prof?). Diese Ambivalenz der Figur Antonia  ist bei mir angekommen. Dennoch läßt mich „Die Liebe in Zeiten der Glasfaser“ enttäuscht und ratlos und auch teilweise geschockt zurück. Wer es sich ansehen mag: bitte. Empfehlen kann ich es nicht.

„Die Liebe in Zeiten der Glasfaser“ , Regie Ed Hauswirth am Theater Dortmund

http://www.theaterdo.de/detail/event/16780/

Weitere Vorstellungen:

MIttwoch 30. März 2016, 19.30 Uhr im „Megastore“

17. April 2016

27. April 2016

 

* Die mit * gekennzeichneten Wörter und Abkürzungen sind dem Programm-Faltblatt zum Theaterstück „Die Liebe in Zeiten der Glasfaser“ entnommen.