Am Anfang (fast nur) Stille (and the rest is noise – probably)

Die Konzertankündigung zum 3.Philharmonischen Konzert der Dortmunder Philharmoniker*innen wirkte spannend. Nicht die x-te Aufführung von Beethovens Violinkonzert, auch nicht irgendein Klavierkonzert von Chopin oder Mozart-Sinfonien, nein: ein Schlagzeugkonzert (Tan Dun: The Tears of Nature) war angekündigt.

Schlagzeug-KONZERT gleich? Ernsthaft? Was will der ode rdie denn mit ihrer Pauke ausrichten? Kommen doch ohnehin keine Töne raus, auch wenn die Perkussionist*innen immer behaupten, eine Pauke könne man stimmen wie ein Streichinstrument. Doch Schluß jetzt mit den Vorurteilen.

Kein salbungsvolles wichtiges Platz-Nehmen am Flügel, kein konzentriertes In-Positions-Bringen einer Geige am Körper. Stattdessen: fast komplette Stille. Die Orchesterbegleitung: Collegno, also „Bogenstrich“ mit dem Holz. Kein Klang, nur Geräusch. Ähnlich tropfendem Wasser. Stattdessen steht der Solist einfach da und hält offenbar irgendwas in seinen Händen.

Schlagzeug? Schon bei Beginn hätten sich alle Vorurteile meines Bekannten bestätigt. Schlagzeug, das ist nur Krach, bumm, patsch, Peng, kling, kratz. Auch in der sogenantnen „ernsten“ Musik Der Solist steht nur da und macht irgendwas mit seinen Händen. Ein Geräusch. Aber womit? Es sind nur ein paar Steine, die Alexej Gerassimez in den Händen hält und gegeneinander reibt, um sich dann, wie in einer eigenwilligen Choreografie durch das Orchester zu den Pauken zu bewegen. Wie langweilig, möchte man denken. Das machen doch Kinder auch! Doch es wirkt eben nicht langweilig.

Stille im Konzertsaal, kein Mucks vom Publikum, niemand verläst den Saal.Spannung. Welches Instrument nimmt Alexej Gerassimez als nächstes in die Hand, wo wird er dagegen schlagen, um neue Klänge zu erzeugen?? Schlagzeug ist nie nur 1 Instrument. Gebannt schaut man auf die Bühne. Welche Schlägel? Welche Trommel? Oder wieder das Marimbaphon? Und wo hat er die aneinander geriebenen Steine vom Anfang hingelegt? Auch die vier Schlagwerker*innen des Orchesters sind mehr als gewöhlnich in Aktion – und haben sichtlich Spaß daran. Da werden einmal sogar Klangschalen mit einem Bogen gestrichen – und wo kommt auf einmal dieser seltsam leise klirrende Klang mit Zimbeln her? Das Orchester als Wimmelbild, mal laut und aufbrausend, dann auch wieder leise. Alles ist imm in Bewegung, auch in der Stille. Es dauert anfangs länger, bis eine zusammenhängende Meldodie erkennbar ist.Aber: niemanden stört das. Nur billige Effekthascherei? Mitnichten. Der chinesische Komponist Tan Dun hat die Klänge und Geräusche in ihrer Folge sorgfältig ausgewält, durch verschiedene Lautstärken und nicht immer wohltönenden Tonfolgen wird jeder klischeehafte Klang, der sich beliebig und nach Mainstream sich anhören könnte, verhindert. Tan Dun hat mit jedem Satz eine Katastrophe beschrieben, u.a. das Reaktorunglück von Fukushima. Fast alles, was der Klang- oder Geräuscherzeugung dient, wird aufgefahren. Das Schlagzeugkonzert von Tan Dun: zu spannend, zu witzig beim Zuhören und Zu-Schauen, als dass man an schlimme Ereignisse denken könnte – und daran, daß auch die Natür Tänen darüber vergießt, wie es der Titel beschreibt.

Allerdings blieben viele Plätze im Konzerthaus leer. Jede*r Veranstalter*in bekrlagt, daß die Besucher*innen seit der Hoch-zeit der Coronkakrise im Jahr 2020 die Gäste ausbleiben. Vielleicht sollte man eine Art Tutorial machen: How to buy a ticket for a concert and how to go there – oder so ähnlich.damit wieder mehr Zuhörer-/innen kommen. Oder die Traditionalisten, die das Schlagzeug gefälligst dort sehen wollen wo es hin gehört (nämlich ganz hinten im Orchester bei den Pauken) haben sich in manchem Haushalt oder Lebensgemeinschaft durchgesetzt. Zu so einem Krachkonzert gehen wir nicht! Das ist schließlich keine Musik.

Nun, mir hat der „Krach“ gefallen. Neues wagen, sich einmal etwas anhören, was man nicht schon so oft in verschiedenen Interpretationen gehört hat. DAS macht einen guten und spannenden Konzertabend aus..Die verschiedenen Arten des Schlagwerkes haben auch etwas archaisches. Hier wird nicht unbedingt immer so lange gestimmt und nicht jedes Instrument hat viele Klappen, Schrauben oder Stimmwerkzeuge, wie es z. B. bei der Geige der Fall ist. Nur ein Stab aus Holz, ein Schlägel, nur ein paar Steine. Entscheidend ist z. B. bei den aneinander geriebenen Steinen oder den geklopften Drumsticks der Rhythmus.Das hat etwas archaisches, auch kindliches. Und dabei ist doch jede Note auf Papier notiert.

Das zweite, auch Schlagzeug lastige Stückdes Abends war The Chairman Dances von John Adams. Die oft abrupten Wechsel der Tempi und Stimmungen: einmal wie heitere Tanzmusik, ein Foxtrott eben, dann wieder chromatisch abwärts steigende Linien oder schrille Töne beschreiben gut die Stimmung der beiden politschen Lager und Gegensätze, bei Nixon in China .

Deshalb: Hingehen! Philharmoniksches Konzert morgen am Mittwoch, den 9. November um bereits: 19.30 Uhr im Konzerthaus Dortmund. (und aufpassen: die allererste ‚Pause‘ im ersten Teil ist nur eine Umbaupause…deshalb bitte nicht gleich an die Bar verschwinden.)

Etwas geschafft wirkten die Dortmunder Philharmoniker*innen nach der Pause bei der 6. Sinfonie von Ludwig van Beethoven. anfangs wirkte die Oboe etwas gehetzt und aufgeregt. Ein Kieksen im Horn war nicht zu vermeiden (aber seitdem ich das Saxophon gegen die Geige eingetuascht habe, kann ich dieses Malheur eher verzeihen). Auch Erstliga-Spieler*innen müssen nicht jeden Abend perfekt sein (und die Championsleague spielt ohnehin in Berlin und ist für Normal- und Geringverdienende unbezahlbar). Auch bei den Geigen schrammelte es einmal unangenehm… puh, gerade noch einmal rechtzeitig an der richtigen Stelle angekommen. Nach einem alles an Kraft und Konzentration fordernden Schlagzeugkonzert und einem nicht minder wilden, auch leicht verrückt wirkenden The Chairman Dances von John Adams sind auch Profis möglicherweise erschöpft. Im gesamten war die 6. Sinfonie aber ein schöner Abschluß dieses Konzertabends. Auch wenn diese Landidylle möglicherweise nur eine Empfindung des Komponisten gewesen war und das Landleben nie so schön und friedvoll für seine Bewohner*innen war. Beethoven war auch damls sim 18. Jahrhundert wohl auch nur ein Tourist, den sein Ausflug Inspiration zum Komponieren gewesen war.

Der Klang des Kanals

Ein Plätschern, ein Fließen oder nur ein leises Tropfen. Oder gar ein laufender Strom wie in Goethes Zauberlehrling. Dieser Stoff mit der ‚chemischen‘ Bezeichnung H_2_O , hat viele Zuschreibungen erhalten. je nachdem, wie Wasser sich bewegt, hat es einen anderen Klang. Beim Meer spricht man von Meeresrauschen. Aber wie klingt ein See, ein Teich, in dem es so gut wie keine Wellen gibt? Oder ein Kanal, auf dem Frachtschiffe, manchmal auch Ruderboote fahren?

Majestätische Bewegung und Klang: Frachtschiff auf dem Dortmund-Ems-Kanal.

Das Wasser des Dortmund-Ems-Kanals rauscht nicht von allein. Große Schiffe, meistens Frachter oder der Wind erzeugen Wellen, deren Rauschen man hört. Gelegentlich hört man ein „Platsch“ an sonnigen Tagen, wenn Menschen in den Kanal zum Baden springen. Ist eigentlich nicht erlaubt, aber wohl doch so erfrischend, dass man es immer wieder tut. (Ihren Abfall sollten die Badegäste aber bitte wieder mitnehmen! Und die Hafenverwaltung sollte mehr Mülleimer aufstellen). An diesem sonnigen Montag, den 29. März 2021 hört man außerdem Spaziergänger*innen am Kanal, wie sie plaudern, lachen, manche haben Musikboxen angeschaltet. Vom Hafen hört man Maschinengebrumm. In einem Garten nahe des Kanalweges hört man immer wieder jemand rufen, ob die Frau nach einem Tier oder Menschen ruft, ist unklar.

An diesem Montag bekam der Dortmund-Ems-Kanal einen zusätzlichen Klang, den er vielleicht noch nicht gehört hat.

Immer auf der Suche nach ungewöhnlichen Übe-Orten: hier am Dortmund-Ems-Kanal, kurz vor der Hafeneinfahrt.
Immer auf der Suche nach ungewöhnlichen Übe-Orten: hier am Dortmund-Ems-Kanal, kurz vor der Hafeneinfahrt.

Heute habe ich es wie Sonny Rollins gemacht und draußen Saxophon geübt. Nicht ganz bei einer Brücke wie der berühmte Jazz-Saxophonist, ok. Eher abseits der zahlreichen Spaziergänger*innen, denn wer übt, will nicht viel Publikum. Üben ist kein Konzert, sondern die Vorbereitung darauf, das verstehen nur wenige. Es klang ganz anders, als wie ich es bisher gewohnt war. Der Schall wurde von dem Gebäude an der anderen Uferseite zurück geworfen, die lang anhaltenden Töne erinnerten zum Teil an eine Schiffshupe. Die vorbei ziehenden Binnenschiffer ließen sich aber damit nicht veräppeln 😉

Gegenüber auch ein paar Zuhörer*innen, ein vorbeifahrender Radfahrer lächelte mich an, ich lächelte zurück. Abstand gewahrt in der Coronakrise und kommunizieren können: wie schön, wenn man sich wieder richtig sieht. Für eine Stunde diesen Scheiß namens Covid-19 vergessen können und Saxophon am Kanal spielen, während die Frachtschiffe vorbeiziehen – das konnte ich heute tun. Und ist es auch nur das Wasser des Kanals, so denke ich beim Blick darauf immer an das Meer und sein Rauschen.

Sehnsucht nach dem Meer, auch wenn man nur am Kanal ist.
Sehnsucht nach dem Meer, auch wenn man nur am Kanal ist.
Trotz des schönen Wetters kamen hier nicht ständig Leute vorbei. Ich konnte also Saxophon fast immer unbehelligt üben.
Trotz des schönen Wetters kamen hier nicht ständig Leute vorbei. Ich konnte also Saxophon fast immer unbehelligt üben.